Bach & Blues

Von Tönen getragen“ – Eine offene Einladung zur Resonanz

Zwei Abende lang wurde die Johanniskirche in Ellrich zum Schauplatz einer außergewöhnlichen künstlerischen Versuchsanordnung: Mit „Von Tönen getragen“ präsentierte das BACHKombinat kein klassisches Konzert, keine fertige Choreografie, sondern ein offenes Performance-Format, das gleichermaßen forderte und faszinierte.

Die beiden Veranstaltungen am 11. und 12. Juli 2025 verwandelten den sakralen Raum in ein Resonanzlabor – klanglich, körperlich, atmosphärisch. Dabei wurde schnell deutlich: Die Offenheit des Formats war keine beiläufige Entscheidung, sondern ein konzeptionelles Statement. Statt Zuschauer*innen zu unterhalten, lud das Projekt zur Teilnahme ein – durch Zuhören, Zuschauen, Innehalten und Reagieren. Gerade diese Form forderte das Publikum heraus: Es musste sich auf Prozesse einlassen, auf Übergänge, Brüche, nicht auf fertige Darbietungen.

Dennoch – oder gerade deshalb – hinterließen beide Abende einen starken Eindruck. Die Kirche war an beiden Tagen sehr gut besucht, am zweiten Abend sogar bis auf den letzten Platz gefüllt. Diese Resonanz spricht für das wachsende Interesse an experimentellen Formaten auch jenseits urbaner Zentren.

Das interdisziplinäre Ensemble überzeugte durch ein sensibles Zusammenspiel: Cellist Sebastian Hennemann brachte die Strenge Bachs mit emotional aufgeladenen Blues-Motiven in einen spannungsvollen Dialog, unterstützt von den elektronischen Klangflächen des DJ Spoonman. Tänzer und Choreograf Solomon Quaynoo übersetzte diese Klänge in körperliche Bewegung, die zwischen urbanem Tanz und sakraler Geste oszillierte. Besonders eindrücklich war dabei die performative Auseinandersetzung mit Kleidung – als Ausdruck von Identität, Wandel und Reibung. Mode wurde nicht dekorativ verwendet, sondern als Medium sozialer und ästhetischer Verhandlung sichtbar gemacht.

Joachim Goldschmidts dramaturgische Leitung band die einzelnen Elemente – Musik, Tanz, Textil – zu einem offenen, aber spürbar durchdachten Ganzen. Dabei wurde bewusst auf lineare Erzählung verzichtet. Stattdessen entstand ein Möglichkeitsraum, in dem die Grenzen zwischen Publikum und Bühne, zwischen Werk und Prozess, immer wieder durchlässig wurden.

Von Tönen getragen“ ist ein mutiges Projekt, das durch seine formale Offenheit ebenso begeistert wie irritiert. Es verlangt Aufmerksamkeit, Offenheit und Eigenbeteiligung – und wird damit selbst zu einem Spiegel gesellschaftlicher Prozesse, in denen Identität, Körper, Kultur und Geschichte in Bewegung geraten.

Ein Projekt, das – gerade in seiner Unabgeschlossenheit – nachhallt. Und das zeigt, wie fruchtbar künstlerischer Austausch über Disziplinen, Regionen und Kontexte hinweg sein kann.

Besetzung:

Tänzer/Choreografie/Konzept: Solomon Quaynoo, Cellist*in/musikalische Bearbeitung: Sebastian Hennemann, elektronische Musik: Spoonman DJ,Lichtdesign: Martin Wiegner, Dramaturgie/Konzept/Idee: Joachim Goldschmidt

Gefördert

durch den Diversitätsfonds des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW sowie durch die Kulturstiftung des Freistaates Thüringen. Eine Produktion des BACHKombinats/ProArtiSt. Besonderer Dank gilt der ev. Kirchengemeinde Ellrich, Frau Dietrich und Frau Kliemannel.